Rektorat fordert Befehlsgewalt für AStA-Vorstand.

Könnte man jedenfalls meinen, wenn man bestimmte stellen im aktuellen offenen Brief des gesamten Rektoratsteams aus Rektor, Prorektoren und Kanzler ungenau liest. Es könnte einem aber auch schlecht werden. Diese Aktion der Universitätsspitze ist nämlich mehr als ein Affront: Sie ist der Gipfel einer Gemengelage aus sozialer Inkompetenz und gekränkten Eitelkeiten, der personelle Konsequenzen folgen müssen. Und zwar nicht in der Belfortstraße sondern am Fahnenbergplatz. Aber der Reihe nach.

Es empfiehlt sich zunächst, den offenen Brief des Rektorats (hier beim u-asta verlinkt, da auf uni-freiburg.de weder bei den Pressemitteilungen noch unter Aktuelles zu finden…) genau zu studieren. Die Antwort der Studierendenvertretung zu lesen schadet auch nicht. Und wer noch nicht genau weiß, um welche Ereignisse es geht: Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Arnold-Bergstraesser-Instituts sollte Ministerpräsident Mappus zur Außenpolitik Baden-Württembergs sprechen. Es protestierten Atomkraft- und Stuttgart21-Gegner lautstark und anhaltend, so daß sein Vortrag nicht zu verstehen war. Gleichzeitig protestierten Studierende und auch Studierendenvertreter stumm für die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft. Zwei Tage später sollte Prof. Jesse, ein umstrittener Vertreter totalitarismustheoretischer Thesen, im Rahmen einer Vortragsreihe sprechen. Ein Bündnis linker Gruppierungen, darunter auch die der Linkspartei nahestehende Hochschulgruppe DieLinke.SDS, hatten im Vorfeld zu Protesten mit dem Ziel, den Vortrag zu verhindern, aufgerufen. Die Gremien der Studierendenvertretung befassten sich zwar mit einem Antrag auf Unterstützung, dieser fand jedoch bis zum Veranstaltungstermin keine Mehrheit, sondern wurde im Nachhinein sogar wegen seiner Einseitigkeit gerügt. Bei der Veranstaltung wurden protestierende Studierende durch den Prorektor für Studium und Lehre, Prof. Heiner Schanz, selektiert und per Hausrecht und mit tatkräftiger Unterstützung durch schon vorher aufmarschierte Polizei aus dem Hörsaal entfernt, anschließende erkennungsdienstliche Behandlung inklusive. Ein meines Wissens nach einmaliger Vorgang in der jüngeren Universitätsgeschichte.

Nicht daß wir uns falsch verstehen: Den politischen Gegner überhaupt nicht zu Wort kommen zu lassen darf nicht unter die freie Meinungsäußerung fallen und ist keine Methode eines demokratischen Meinungsaustausches. Zwar verbietet sich aus naheliegenden Gründen eine Gleichsetzung mit der SA und ihren Methoden im Dritten Reich, eine faschistoide Note lässt sich jedoch, wie man bei Fabian Vögtles Bericht zum Mappus-Protest nachlesen kann, nicht leugnen.

Es hat diese Protestform an der Uni Freiburg immer wieder in der einen oder anderen Abwandlung gegeben. Erst kürzlich erinnerte ich mich an eine Veranstaltung mit Günther Beckstein. Was ist nun also neu? Es ist die Reaktion des Rektorats, das auch früher gern mal unterkühlt reagierte, wenn ein u-asta-Vorstand seine vermeintlich Untergebenen nicht im Griff hatte – und damals, beim sog. Jubiläum der Uni, wurde „nur“ unterbrochen und einzelne Schlüsselbegriffe der Rektorrede mitgesprochen. Das Problem: Wir sind alle Individuen. Weder ein u-asta-Vorstand noch ein Prorektor ist dafür verantwortlich, was andere tun, sagen oder klatschen. Insbesondere nicht, wenn es sich um andere Gruppen handelt, deren Protest unerwünscht ist.

So weit, so lächerlich. Was man damals von Langzeitrektor Prof. Wolfgang Jäger nicht nur gewohnt war sondern – seien wir mal ehrlich – sogar erwartete, ist doch nicht so überwunden, wie es manch einer nach den Amtsantritten seiner Nachfolger Prof. Voßkuhle und Prof. Schiewer geglaubt hatte. Es hat nun den Anschein, als sei es in potenzierter Form zurückgekehrt in Person von Prorektor Schanz, den u-asta-Vorstand Vincent Heckmann als taktischen Urheber des Schreibens vermutet. Es wäre nach allem, was ich so von heute und in jüngster Vergangenheit im u-asta aktiven und aktiv gewesenen gehört habe, alles andere als das erste Mal, daß soziale Inkompetenz und gekränkte Eitelkeit einer gleichberechtigten Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Rektorat und Studierendenvertretung im Wege stünden. Die nun aufgerissenen Gräben erscheinen jedenfalls so tief wie schon lange nicht mehr.

Das Neue und besonders problematische ist nur: Das Wortgefecht zwischen der Studierendenvertretung in der Belforstraße und dem Rektorat am Fahnenbergplatz findet in aller Öffentlichkeit statt. Der Brief des Rektorats ging laut Heckmann zuerst an die Medien und stand schon auf badische-zeitung.de, bevor er den u-asta überhaupt erreichte. Das zwar durchaus realistische Bild der Universität, welches das Rektorat damit öffentlich zeichnet, könnte zerrissener nicht sein. „Spalten statt Versöhnen“ scheint das Motto zu sein – keine exzellente Stellungnahme, gerade wenn man an die kommende Runde der Exzellenzinitiative denkt. Auch wenn Heiner Geissler ja nun wieder Zeit hätte – ein personeller Neuanfang auf beiden Seiten könnte die gesündeste Lösung sein. Heckmann schließt personelle Konsequenzen in der Studierendenvertretung jedenfalls aus. Auf der anderen Seite wird zwar vordergründig ein Dialog gewünscht aber in Form und Inhalt der Kommunikation in Wahrheit verunmöglicht. Bleibt zu hoffen, daß es sich um einen unüberlegten Schnellschuß handelt, der bald korrigiert wird – entweder durch eine Entschuldigung, oder durch Auswechslung des Schnellschützen.