Ziemlich unterkühlt …

… war nicht nur der Jubiläumsrotwein (ein angesichts der Haushaltslage erstaunlich trinkbarer, badischer (?) Spätburgunder) sondern auch die Stimmung auf dem Empfang im Anschluß an das feierliche Eröffnungskonzert zum diesjährigen Jubiläum der Uni Freiburg. Am 31. Januar hatten sich zahlreiche Ehrengäste, Lehrende und Studierende im Audimax (der Unversität) eingefunden, um nach den Eröffnungsreden von Rektor Jäger und u-asta-Vorstand Schmeh dem akademischen Orchester der Uni zu lauschen. Gegeben wurden Brahms‘ Akademische Festouvertüre und Schumanns Frühlingssinfonie. Doch die Berichterstattung (in der BZ wie immer nur für Abonnenten, aber auch im Spiegel) über den Abend findet außer der Nennung der Stücke kaum Worte für die Leistung der Musiker. Und das kam so: Bereits mehrere Tage vorher war im und um das Audimax hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Da wurden Böden aufgearbeitet, Wände eilig, wenn auch im architektonisch vorgegebenen Mausgrau, neu angestrichen und die Stellwände aller studentischen Initiativen entfernt bzw. verhängt. So waren es am Abend dann auch nur die gut 50 im gelben Boykottshirt erschienenen Studierenden, die als einziger Farbtupfer erkennen ließen, daß es sich bei dem Gebäude tatsächlich um eine von Studierenden genutzte Universität handelt. Als dann Rektor Jäger ans Rednerpult trat, wurde dies auch hörbar. Ein minutenlanger, nahezu ohrenbetäubender Beifallssturm der 30 Jahre Mundtot-Jubiläum „Feiernden“ begrüßte ihn und unterbrach ihn zu Beginn mehrfach. Wie immer war dies zu erwarten, wie immer wurde es zunächst mindestens mit Ansätzen von Sympathie aufgenommen, und sogar Jäger ging in seiner Rede darauf ein, als er die „kritische und kreative“ Beteiligung der Studierenden erwähnte.

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u-Vorstand Schmeh zu Beginn der Rede Jägers noch vergnügt.

Spätestens als die gelb gewandete Beifallssturmabteilung ihre Störaktion (zu diesem Zeitpunkt beteiligte sich noch etwa die Hälfte der Protestierenden während sich die andere Hälfte sichtlich unwohl fühlte und zum Teil beschwichtigend versuchte, die anderen zur Vernunft zu bringen) auch beim selbstkritischen Teil der Rede, die die Zeit des Nationalsozialismus zum Thema hatte, nicht beendete war jegliche Sympathie verloren. So bekam die von Jäger in seiner Rede zitierte Gründerwidmung der Universität zur „Erlöschung des verderblichen Feuers menschlicher Unvernunft und Blindheit“ unverhofft eine ganz neue Bedeutung und auch u-Vorstand Schmeh – der auch gern mal Feuer kommentiert – konnte nur ratlose Blicke mit Jäger austauschen.

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Hermann J. Schmeh etwas später rat- und machtlos.

Was bleibt also übrig von der (J)ubliäumseröffnung? Marc Röhlig nennt eine seiner Zwischenüberschiften „Sturmklatschen statt Debatte“ und erkennt dabei das eigentliche Problem des Abends nicht: Es war kein Anlass zur Debatte, sondern allenfalls zum Feiern. Schließt das eine politische Meinungsäußerung in diesem Rahmen aus? Sicherlich nicht. Boykottshirts als sozusagen stiller, aber schriller Protest fallen zwar nicht unter den feierlichen Dresscode – aber wer mochte wäre und ist damit nicht angeeckt, wobei man darüber auch geteilter Meinung sein kann und auch war: Ich hatte mich auf einen Boykottanstecker beschränkt. Auch die ersten Jubelpfiffe sind, wie etliche anwesende Studierende meinten, noch im Rahmen gewesen, wobei man auch dies anders sehen kann. Alles was danach kam, war falsch, eine Eskalation gruppendynamischer Natur.
Aus genau diesem Grunde darf die Aktion nicht falsch verstanden werden: Weder beteiligte sich ein wesentlicher Teil der Boykottshirtträger gegen Ende noch am Jubelsturm noch ist diese Protestform kennzeichnend für Ziele und Verlauf des weiterhin richtigen und wichtigen Boykotts der Studiengebühren in Baden-Württemberg. Schade nur, daß das so durch die Medien und alle anderen Kanäle nicht bei der Studierendenschaft ankommt. Unter dem Deckmantel des Boykotts haben wiedereinmal lediglich eine Handvoll überaus motivierter Aktivisten das bislang positive Image dieser studentischen Protestform in Anbetracht der geringen verbleibenden Zeit irreparabel beschädigt. Das ist wohl der Preis, der für offene Organisation und Interessenvertretung zu zahlen ist. Ich jedenfalls kann es nach diesem Abend niemandem verdenken, wenn er die bereits prekäre Personalsituation in der Belfortstraße 24 durch eigenes Fernbleiben weiter verschärft.