Es wäre blanker Zynismus, ausgerechnet den Schutzheiligen der Armen und Bettler ans Martinstor zu malen. Mein Kommentar zu den Bemühungen Freiburger Gemeinderäte, ein Heiligenbild aus dem 18. Jahrhundert im Jahr 2013 an ein Stadttor in einer Einkaufsstraße malen zu lassen:
Das Martinstor – in manchen Volksmündern auch McDonald’s-Torgenannt – soll, wenn es nach einer Initiative mit einer Gemeinderatsmehrheit im Rücken ginge, wieder mit einer Darstellung des Martin von Tours, bemalt werden. Der legendäre Bischof wird von der katholische Kirche als heilig verehrt. In einer Überlieferung wird ihm nachgesagt, in Ermangelung anderer Almosen einem Bettler eine Hälfte seines Umhanges geschenkt zu haben. Für die Katholiken ist er Schutzheiliger der Armen und Bettler, aber auch der Reisenden und der Soldaten.
Und jetzt diskutiert Freiburg ernsthaft, im Jahr 2013, in einem die Säkularisierung immer ernster nehmenden Land, eine neue Heiligendarstellung an ein Gebäude der Stadt pinseln zu lassen. Es geht nicht etwa um eine denkmalpflegerisch begrüßenswerte, historische Rekonstruktion des Bildes, das 1968/69 aus technischen Gründen nicht länger erhalten werden konnte, sondern um eine Neugestaltung. Ob der in Rede stehende Entwurf aus dem 18. Jahrhundert bereits jemals das Tor zierte, kann offenbar nicht belegt werden, und so geht es tatsächlich um eine neue Heiligendarstellung im öffentlichen Raum.
Es geht mir gar nicht so sehr um die katholisierend-normative Gewalt, die von solch einem Akt gegen all jene ausgeübt würde, die einer anderen oder gar keiner Religion anhängen, ob sie nun eine Mehrheit in der Bevölkerung darstellen oder nicht. Schließlich sind Werte wie Toleranz, Nächstenliebe und Gemeinnützigkeit grundlegender Bestandteil humanistischer Weltbilder. Und genau deswegen geht es um den blanken Zynismus, ausgerechnet den Schutzheiligen der Armen und Bettler an einem Tor in einer Straße prangen zu lassen, die allem möglichen gewidmet ist, nur gewiß nicht Armen und Bettlern.
Durch das Martinstor gelangt man in eine Fußgängerzone, eigentlich ist es aber eine Konsumentenzone. Die reine Lehre des brutalstmöglichen Kapitalismus schaffte es … weiterlesen bei fudder.de