Wir sind geflüchtet

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800.000 Flüchtlinge bis Jahresende. Falls die Prognose des Innenministeriums stimmt, das schon von den aktuellen Zahlen vollkommen überrascht worden zu sein scheint. Zahlen, die Behörden überfordern und viel zu vielen Menschen sogar Angst machen. Muss das sein? Natürlich nicht.

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Hinter den Zahlen und Meldungen stecken echte Menschen mit echten Geschichten. Keine herausragendenden oder originellen, sondern die Geschichten von ganz normalen Menschen, die ein ganz normales Leben hatten – bis Krieg, Zerstörung und Gewalt sie zur Flucht zwangen. Darum diese Seite, in der Badischen Zeitung und auf fudder.de, mit hoffnungsvollen Gesichtern und mit Geschichten, die oft haarsträubend sind.

Jeder hat eine Geschichte. Aber bei weitem nicht jeder kann damit einfach so in die Zeitung, erst recht nicht mit Foto und Namen. Fast immer war es ein ganz bestimmter Grund, der dagegen sprach: Angst um Angehörige, die nicht fliehen konnten. Es ist die Angst vor dem Islamischen Staat, der Regierung des Herkunftslandes oder organisierten Kriminellen – wenn man das so genau trennen kann. Die Angst, hier in Deutschland mit der Sicherheit – dem Leben – der Zurückgelassenen erpresst zu werden. Es ist eine ganz reale, greifbare Angst, wenn die dazugehörige Geschichte mir außerhalb des Wohnheimes, in einem zufälligen Café, trotzdem mit gesenkter Stimme erzählt wird.

Kompliziert und lebensgefährlich

Bei der Recherche wurden etliche Dinge, die man aus der täglichen Debatte kennt, sehr konkret. Vor allem die EG-Verordnung Nr. 343/2003, besser bekannt als Dublin II und berühmt-berüchtigt als Drittstaatenregelung: Darf in der Zeitung stehen, in welchem EU-Land jemand zu erst ankam, wenn er erst in Deutschland erstmals Behördenkontakt hatte? Ich fragte Anwälte und Richter, und das Ergebnis war: Es kommt auf so furchtbar viele Dinge an, dass es für mich nicht sicher genug zu überblicken ist. Wie muss das erst für jemanden sein, der nicht juristisch vorgebildet ist und kaum Deutsch kann?

Ebenfalls sehr konkret: Die einzigen Wege nach Europa, die die EU-Staaten – also wir – diesen Menschen noch halbwegs offen lassen, sind lebensgefährlich. Es war nicht nur einer, der mir ganz klar sagte, dass er mit der Flucht über das Mittelmeer einen sicheren gegen einen sehr wahrscheinlichen Tod eingetauscht hat. Das dürfen wir allein schon wegen der vielen Toten nicht weiter zulassen – und weil es ein brutaler Selektionsmechanismus ist, den am ehesten kräftige, junge Männer überleben. Das alles kann man erfahren, wenn man die Statistiken und Nachrichten anschaut.

Oder wenn man einfach mal mit den Geflüchteten den Menschen spricht.