Wie zählt man 20.000 Menschen?

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Der 23. Januar wird vielleicht nicht in die Geschichte Freiburgs eingehen, aber auch jetzt noch, eine Woche später, beeindruckt die Erinnerung an diese so wichtige Demonstration. Aber waren es wirklich diese magischen 20.000 Teilnehmer? Diese knapp 10% der Einwohner?

Schon lange vor dem für 17 Uhr vorgesehenen Beginn der Demo war es praktisch unmöglich, auch nur in die Nähe des Augustinerplatzes zu kommen. Da war mir klar: diese Demo wird sehr, sehr groß werden. Und tatsächlich: Schon auf halbem Weg wurde entschieden, daß der Rathausplatz viel zu klein sein würde für die Abschlußkundgebung. Dafür wurde kurzerhand der Platz der Alten Synagoge auserkoren. Der bringt ja mit der alten Auffahrt des Theaters schon eine Bühne mit. Eine besser bedemonstrierbare Fläche bekommt er demnächst. Ideal für die größte Demonstration in der Geschichte der Stadt.

Die größte Demonstration in der Geschichte der Stadt?

Das war bisher die Blockade gegen einen Neonazi-Aufmarsch 2002. Gezählt wurde damals unter noch ganz anderen Bedingungen als heute, keine Live-Eindrücke von allen Seiten via Twitter, keine unzähligen Bilder. Die Schätzung war Sache der Polizei. Die hat damit zwar jede Menge Erfahrungen, hält aber erstaunlicher Weise keine standardisierte, zuverlässige Methode in ihrer Ausbildung bereit, wie im Freitag zu lesen war. Nicht nur Krautreporter Nico Grimm weiß:

„Die Polizei neigt bei den Veranstaltungen etablierter Parteien dazu, die Teilnehmerzahlen zu über- und bei den Demos der radikalen Linken oder Rechten zu untertreiben. Das zeigen Studien, bei denen Fotos im Nachhinein ausgewertet wurden.“

Sein Fazit: Wir müssen selber zählen. Ok, ich fang schon mal an, und zwar am Ende, bei der Abschlußkundgebung. Passen so viele Leute überhaupt auf den Platz? Google Earth kennt die Antwort:

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Links bei der Bertoldstraße standen die Leute dichter als drüben bei der Uni. Zwei Personen müssen sich einen Quadratmeter teilen, damit wir auf 20.000 Teilnehmer kommen. Das kommt beinahe hin, wenn man die Luftbild-Beispiele bei den Krautreportern mit in Erwägung zieht. Es standen zudem viele Leute außerhalb dieser Beispielfläche, noch mehr dürften inzwischen schon auf dem Heimweg gewesen sein. Platz-Check bestanden.

Waren auch 20.000 Leute dabei, als die Demonstration um die Altstadt herum zog?

Hier helfen die Fotos. Nicht so sehr die Aufnahmen selbst, aber die Metadaten. Ich war beim Martinstor, als es losging und ich habe dort mit eine Unterbrechung den ganzen Zug an mir vorbeiziehen lassen. Die Letzten bogen gegen 18 Uhr in die Kaiser-Joseph-Straße ein. Zwischen den entscheidenden Fotos liegen 35 Minuten. 10 Personen pro Sekunde. Das erscheint mir einigermaßen plausibel.

Anstatt jetzt den ganzen Zug von hinten aufzurollen, nahm ich die Abkürzung über den Bertoldsbrunnen. Dort angekommen hatte die Demo kurz zuvor die Merianstraße überquert. Laut meinen Foto-Zeiten war das Ende der Demo nicht ganz neun Minuten vorher in die KaJo eingebogen. Dazwischen liegen 1.150 Meter, für die die Spitze des Zuges 45 Minuten gebraucht hat.

Das sind stattliche 1,5 Kilometer pro Stunde, oder 230 Meter in den neun Minuten, die ich unterwegs war. Der Zug war also 920 Meter lang. Das sind gut 21 Personen pro Meter. Für 2 Personen pro Quadratmeter und 20.000 Teilnehmer müsste die Strecke durchschnittlich 10,5 Meter breit sein. Das ist sie. Sogar neben der UB-Baustelle bleiben mehr als 9 Meter Straße und Gehweg. Auch hier gilt wieder: Das ist nur eine Momentaufnahme, in der die fehlen, die noch nicht oder nicht mehr dabei waren. Strecken-Check: bestanden.

Und wieviele waren es nun wirklich?

Es waren mehr, als bei irgendeiner der vielen rassistischen Demos mit den lächerlichen Akronym-Namen waren. Das ist, was zählt. Und ja, es war die größte Demonstration in der Geschichte der Stadt. Aber die wächst ja bekanntlich.