Das Boykott-Dilemma?

Daniele durchleuchtete bereits vor einiger Zeit die Boykottpläne angesichts (bereits!) im Januar fälliger Studiengebühren in Baden-Württemberg und differenziert zwischen dem finanziellen und dem politischen Preis, den das Land bzw. die Universitäten im Falle eines erfolgreichen Boykotts zu zahlen hätten. Insbensondere die Ausgestaltung des Quorums (25%) wird von ihm – zu Recht – angegriffen.
Gestern fand nun die entscheidende, mit nur 700 Studis aber erstaunlich gering besuchte Vollversammlung statt. Erwartungsgemäß wurde der Boykott mit 3 Gegenstimmen bei 7 Enthaltungen beschlossen. Obwohl es etliche Änderungsanträge gab, wurde die einziuge echte Schwachstelle nicht beseitigt bzw. als solche erkannt. Es gibt immer wieder die historische Argumentation auf bereits durchgeführte Boykotts (Abschaffung des Hörergeldes, Angriff auf die Verwaltungsgebühr). Hierbei fällt immer wieder unter den Tisch, daß beim nun beschlossenen Boykott sowohl das Universitäts- wie auch das Landesquorum einseitig festgesetzt werden. Sicherer und sinnvoller wäre es, den Versuch zu unternehmen, beide in Vorverhandlungen mit dem Gegner festzulegen, wie es in der Vergangenheit bereits geschehen ist. Dies würde zudem eine Verhandlungsposition nahezu garantieren. Aber auch ansonsten gibt das Quorum Anlaß zu kontroverser Diskussion – wie gestern gesehen.
Im Kern geht es um die Frage, ob eine einzelne Hochschule es sich leisten kann, 25% ihrer Studierenden aufgrund nicht gezahlter Gebühren zu exmatrikulieren. Danieles Beispiel mit den verschärften Zulassungsbeschränkungen verfängt hier als einziges nicht: Beim Boykott geht es um Studierende, die bereits einen Teil des Studiums absolviert haben, die also einen gewissen Vertrauensschutz (politisch, wohl nicht juristisch) geltend machen würden, mithin einen ungleich höheren Druck aufzubauen in der Lage sind, als es lediglich abgelehnte Berwerber vermögen. Dies ist m.E. genau der Punkt, der in der allgemeinen Boykottkritik vernachlässigt wird, denn aus exakt diesem Umstand dürfte der von 25% getragene Boykott Erfolg haben.
Das Dilemma ist jedoch: Darauf kommt es nicht (nur) an. Die wahre Schlacht wird in den Medien geschlagen werden – ein Erreichen des Quorums vorausgesetzt. Bislang wird von Universitätsseite auf das Argument, die Uni könnte es sich nicht leisten, 25% ihrer Studierenden zu exmatrikulieren, aus lediglich monetären Gesichtspunkten geantwortet: Ein Rausschmiss egal wievieler Studierender sei nahezu kostenneutral. Hier stecken jedoch nicht die Boykottkritiker in einem Dilemma, sondern die Gegenseite, und die Antwort ist abermals: Darauf kommt es nicht an. Es geht um den politischen Preis, um das Bild in der Öffentlichkeit, um die Exzellenzinitiative – und das alles auchnoch im Jubiläumsjahr!
Ich sehe die (einzige) Gefahr also darin, daß das Quorum zwar erreicht wird, dies jedoch aus sich heraus keinen Wert hat, da es eben einseitig festgelegt wurde. Die Boykottkritik bleibt also so lange berechtigt, wie es als einzige Hoffnung nicht ausreicht, daß einem Rausschmiss von 25% seiner Studierenden wohl selbst ein Rektor Jäger den Rücktritt vorziehen würde – was durchaus fraglich sein dürfte.

1 Gedanke zu “Das Boykott-Dilemma?”

  1. Die Abschaffung des Hörergeldes, zu Beginn der 1970er…auf Grund des Boykotts? Es könnte unter Umständen nicht nur am Boykott gelegen haben, dass es abgeschafft wurde, sondern auch an den gesellschaftlichen Zuständen? Vielleicht waren es andere Nachwehen aus den 1968ern?
    Die Abschaffung des Hörergeld mit dem damaligen Boykott zu begründen ignoriert die gesellschaftlichen Zustände, d.h. der Post-68er, der Einführung des BAföGs usw. Ich hoffe, dass dieses „Argument“ im Rahmen des Boykotts endlich mal aufgegeben wird. Es nervt….eine Suche im WWW zeigt, dass das leider noch oft angeführt wird *seufz* Nein, der Boykott war eine flankierende Maßnahme in Zeiten, in denen die Gesellschaft eine Öffnung der Hochschule wollte. Warum sie das wollte, ist natürlich eine eigene Diskussion wert :-).

    Rotfront.
    Daniele

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