Bürgerentzweit: 40 Prozent für Freiburg Lebenswert?

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Ach, Freiburg! Das hast Du ja mal wieder toll hinbekommen. Der Bürgerentscheid zur Teil-Finanzierung eines neuen SC-Stadions am Wolfswinkel sollte für klare Verhältnisse sorgen. Und was machen die Freiburger? Stimmen mit nicht mal 60 zu 40 dafür und erreichen auch noch das Quorum. Damit ist das spaltende Ergebnis bindend. Bürgerentzweit, müsste man sagen. Entsprechend giften sich nicht nur Gemeinderatsfraktionen und Oberbürgermeister weiter an, nein, auch der Rest vom mit der Stadionfrage befassten Polit-Freiburg schäumt weiter. Aus dem Mooswälder Bürgerverein kommt die einzige Stimme der Vernunft. Es ist die von Horst Bergamelli. Das sagt einiges.

40 Prozent „Nein“! Vierzig! Wer hätte noch Wochen vor der Abstimmung gedacht, daß so viele Freiburger in ihrem Mißtrauen gegen Stadt und Verwaltung dem Populismus von Freiburg Lebenswert und der Angst-Propaganda der Flughafen-Lobby hinterherlaufen? Das Resultat ist leider nur formal ein Votum für das Konzept, daß nun zwingend umgesetzt werden muss. Die Freiburger Lösung, die zur Abstimmung gestellt wurde, hat ein Freiburger Ergebnis produziert: Jeder kriegt etwas, aber keiner bekommt, was er eigentlich wollte. Schönen Dank auch. Was muß sich die Stadt auch unbedingt gleich mit zwei besorgten Bürgergruppen anlegen?

Den massiven Widerstand aus dem Mooswald gab es, weil das Stadion näher am Stadtteil stehen wird, als es müsste. Den massiven Widerstand vom Flugplatz gab es, weil das Stadion so nah an der Landebahn stehen wird, wie es gerade eben noch so geht. Man muß sich nur eine Landkarte oder ein Luftbild ansehen, um erkennen zu können, daß der Flugplatz dort, umzingelt von wachsenden Baugebieten, keine Zukunft hat. Dumm nur, daß man das Stadion in ein paar Jahren, wenn die Luxushobbyflieger ihren Fluglärm um Bremgarten verteilen, nicht einfach ein paar Meter verschieben kann, auf die alte Landebahn, wo es offensichtlich hingehört.

Sind die Lügenplakate schuld?

Anstatt die Menschen in der Stadionfrage zusammenzubringen, hat dieser Bürgerentscheid die Gräben zwischen den Lagern verbreitert und gleichzeitig Fakten geschaffen, die jeden weiteren Dialog darauf begrenzen, Detailfragen zu diskutieren. Der Standort des neuen Stadions ist jetzt vorläufig alternativlos. Das ist das Gegenteil von dem, was direkte Demokratie erreichen will, und das ist schade. Wer jetzt aber den Stadiongegnern vorwirft, mit der unsäglichen Schärfe ihres Wahlkampfes diese Situation geschaffen zu haben, schaut damit nicht weit genug.

Keine Frage, was sich insbesondere die Flughafenfraktion geleistet hat, ist indiskutabel, egal ob Jugendarbeit gegen Jugendarbeit ausgespielt oder direkt gelogen wurde. Das Problem liegt aber woanders, und keine der beiden Seiten hat Schuld daran: Die Gemeindeordnung. Sie begrenzt Bürgerentscheide in Baden-Württemberg auf Angelegenheiten „des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist“, und schließt Fragen der Bauleitplanung auch noch explizit aus.

Mehrere Standorte zur Wahl stellen? Geht nicht. Das Gesetz will zwingend, daß den Bürgern ein fertiger Beschluß, in diesem Fall ein Finanzierungskonzept, vorgesetzt wird, zu dem dann nur noch Yay oder Nay gesagt werden kann. Darum waren die Veranstaltungen in der Rothaus-Arena kein Dialog, sondern die Vorstellung vollendeter Tatsachen. Das ist kein Problem direkter Demokratie an sich, sondern eine Frage ihrer Ausgestaltung.

Was steht dazu eigentlich im grün-roten Koalitionsvertrag? Der Ball liegt jetzt jedenfalls erstmal in Stuttgart. Hoffentlich nicht so lange, bis der SC im Mooswald-Stadion gegen Dortmund um den Wiederaufstieg spielt.